Freitag, Februar 09, 2007

Einzigartiges Züri-Berlin?



Man könnte annehmen, dass sich Züri-Berlin mit leidenschaftlicher Hingabe der grössten Stadt der Schweiz und der deutschen Wiederhauptstadt widme. Genauso gut könnte es sich um eine Verwechslung handeln, denn auch Städte sind weniger einzigartig als sie möglicherweise gerne wären.

Was für divenhafte Grossstädte eine Ernüchterung ist, kann für Züri-Berlin allerdings nur von Vorteil sein: Wenn die geliebten Städte einst wie ausgepresste Zitronen darnieder liegen werden, dann muss neuer Stoff her. Zum Beispiel über die Papierindustrie und den Wintersport in Berlin (New Hampshire), die Rinderzucht in Berlin (Kentucky), das Wetter in Berlin (Arakansas), die Autowerkstatt in Berlin (West Virginia) oder News aus irgendeiner weiteren der unzähligen anderen gleichnamigen Ortschaften jenseits des grossen Teichs.
Wenn Menschen schon mal die Chance haben, einen Ort zu benamsen, scheint es, als bringe die Sehnsucht nach der verlassenen Heimat horrende Einfallslosigkeit mit sich. Es lohnt sich also kaum, von zu Hause fortzugehen, denn – ehe man sich's versieht – wohnt man wieder am gleichen Ort.

Aus Berlin in Seedorf, Schleswig-Holstein, gäbe es wohl ebenfalls etwas zu berichten und sonst eben über Berlin in Südafrika oder den Mount Berlin, einen Doppelvulkan in der Antarktis.

Wenn schliesslich auch die Geografie nichts mehr taugt, müssen sich der russische Komponist Irving Berlin, der deutsche Augenarzt Rudolf Berlin, der britische Philosoph Sir Isaiah Berlin oder der ehemalige deutsche Politiker August Berlin mit bloggenden Huldigungen abfinden. Und wenn sie es nicht tun, sticht Züri-Berlin zuerst friedlich mit dem Kreuzfahrtschiff Berlin in See und droht mit dem Einsatz des Kriegsschiffs Berlin.


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Das liebe Zürich ist in Nordamerika bloss sechs Mal vertreten (im Gegensatz zu Berlin aber immerhin auch in Kanada), und büsst erst noch seinen charakteristischen Umlaut ein. In Illinois gibt es ein Zurich inklusive Zürisee. Ein weiteres Alias meiner Heimatstadt befindet sich in der holländischen Gemeinde mit dem wunderbaren Namen Wûnseradiel.

Während Zürcherinnen bloss von Umhängetaschen Kokurrenz zu befürchten haben, wollen neben Kennedy in seiner berühmten Rede noch ganz andere Berliner sein: Stoffbehausungen des Schweizer Militärs und der Pfadfinder, Zeitungsformate, österreichische Fussball-Varianten und Manager sowie deutsche Wirtschaftsexpertinnen.

In den USA amüsiert man sich offenbar seit den 80er-Jahren über Kennedys Ausspruch ("Ish bin ein Bearleener") vor dem Rathaus Schöneberg von 1963. Man glaubt dort, das deutsche Publikum habe die Wendung wegen des in diesem Kontext unüblichen unbestimmten Artikels ("Ich bin ein Berliner") so verstanden: "I am a jelly doughnut", obwohl das angeblich gar nicht stimmt. In Zürich ist für die meisten Kinder jedenfalls klar: Berliner sind etwas besonders Leckeres.

Fotos: Screenshots der Berlins- und Zurichs-Websites, Webshop Schnell Velos, Wikipedia