Sonntag, Dezember 24, 2006

Weihnachtslicht in Züri-Berlin

Seit den 70er Jahren hatte der Baldachin zur Weihnachtszeit dem Zürcher Luxusboulevard etwas Wärme gespendet. Nachdem die traditionelle Weihnachtsbeleuchtung der pompösen Bahnhofstrasse der letztjährigen Modernisierung zum Opfer gefallen war, wurde der Zürcher Bevölkerung ihre sentimentale Anhänglichkeit vor Augen geführt. Die Kühlheit der neuen LED-Röhren, die allerdings kunstvolle Lichteffekte erzeugen, erhitzte die Gemüter: Endlich hatte man mal wieder ein gemeinsames Gesprächsthema.

Bild: Flickr/ffgoatee

Für die einen war das kühle Licht eine Katastrophe, das an ungemütliche Neonröhren erinnerte, andere fanden, man solle der neuen Beleuchtung eine Chance geben, und wieder andere hielten diese für das Weihnachtslicht einer modernen Weltstadt, die Zürich ja so gern wäre.

Bild: Flickr/juhanson








Der Künstler Max Grüter griff die Stimmung auf und entwarf einen modernen Weihnachtsbaum für die Zürcher Stuben im Corporate Design der Bahnhofstrasse. Das Bild des Züri-Christbaums zirkulierte als Weihnachtsgruss per digitale Röhrenpost, äh Rohrpost natürlich: Merry Coolness!









Wie wohl das beleuchtete Berlin zur Weihnachtszeit aussieht? Insgesamt erinnere ich mich daran, dass ich Berlin nachts als dunkler empfand als Zürich.
Am Ku'damm, dem Pendant zur Zürcher Bahnhofstrasse, scheint man sich etwas Besonderes ausgedacht zu haben. Auch darüber liesse sich streiten (denn worüber sollte man sich sonst streiten, wenn nicht über Geschmacksfragen). Die Leuchtfiguren widerspiegeln immerhin das Gittermuster der Gedächtniskirche im Hintergrund links. Bild: Flickr/gertrudk

Möge schönes Licht auf erhellende Weihnachtstage fallen, in Züri, Berlin und dort, wo Weihnachten ein importierter Brauch einer exotischen Kultur ist. Für wen die Stille Nacht eine Lügennacht ist, frage sich, ob das eine Rolle spielt, wenn man sich in trautem Kreise endlich mal wieder reichhaltig ernährt.

Mittwoch, Dezember 20, 2006

Zureich vs. "arm, aber sexy"

Zürich gehört zu den zehn teuersten Metropolen der Welt. Die 300 Superreichen der Schweiz haben zusammen 455 Milliarden Franken, und 3.75% der Schweizer Bevölkerung besitzen 54.1% der Vermögen, war neulich über die Schweizer Massenmedien und Lieblingsblogs zu erfahren. Kein Wunder also, dass die Fassade eines einst besetzten Hauses namens Wohlgroth beim Zürcher Hauptbahnhof dazu diente, das SBB-Ortsschild Zürich in das provokative ZUREICH umzuwandeln.
Viele Jahre später wurde die mit Sicherheit kapitalismuskritisch gemeinte Umdeutung mit ihren eigenen Mitteln geschlagen: ein profitorientierter Mobilfunkanbieter warb nur wenige Meter vom längst abgerissenen besetzten Haus entfernt mit der Behauptung, es werde zu reich, wer mit solch günstigen Angeboten telefoniere. Marcuse-Belesene und mit dem 1968er-Jargon Vertraute würden an dieser Stelle das in links- dogmatisch- intellektuellen Kreisen gern gehörte Stichwort der repressiven Toleranz einwerfen. Diese meint die "Ausdehnung der Toleranz auf politische Praktiken, Gesinnungen und Meinungen, die geächtet oder unterdrückt werden." Manche behaupten, dass genau dies das kapitalistische System so erfolgreich mache: grosszügige Toleranz – ja sogar positive Umdeutung – scharfer Kritik, was mit einer Verharmlosung einhergehe. Egal, ob man nun konsumkritisch oder hedonistisch eingestellt ist: Niemand kann leugnen, dass es sich um einen Geniestreich einer findigen Werbeagentur handelt.

Berlin ist dagegen alles andere als zu reich: "Arm, aber sexy" ist für Berlin schon fast was little big city für Zürich ist: der heimliche Slogan der Stadt. Seit Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit – besser bekannt als Wowi – seine gehypte Stadt inmitten dramatischer Finanzkrisen als "arm, aber sexy" bezeichnete, haben Stadttheoretikerinnen und andere Schwätzer ein neues Debattierthema gefunden.

Mercedes Bunz, inzwischen erfolgreiche Chefredakteurin* des hippen Stadtmagazins zitty (deren aktuellste Titelgeschichte zufällig meine ehemalige Berliner Straße ist) prägte den viel zitierten, inzwischen stehenden Begriff der urbanen Penner. Damit sind keine unter Brücken nächtigende Clochards gemeint, sondern die unterbezahlte "unterschätzte, kreative Elite Berlins".

Am Donnerstag wird im rbb-Fernsehen zum Thema „Arm, aber sexy“ – reicht das? diskutiert: die magische Anziehung der Stadt auf Künstler, Erasmus- und andere Studentinnen sowie weitere Berlin-Pilgernde (2006 wurde mit 140 Millionen Besucherinnen und Besuchern ein Rekord verzeichnet), der Berlin-Hype und die gleichzeitig miserable Finanzlage der Stadt. Mit von der Partie sind auch Mercedes Bunz (die übrigens der umtriebige sms ;-) vom visionären Vlog ((( rebell.tv ))) neulich mal interviewt hat) und natürlich „Arm, aber sexy“-Urheber. Wowi hat ein gewinnendes Auftreten, manche halten ihn allerdings eher für einen Partyhengst, als für jenen, der Berlin zwar nicht gerade zu reich machen wird, aber immerhin nicht mehr ganz so arm, und doch noch sexy. Wie steht es eigentlich um die Kombination von zu reich und sexy? Unvereinbar? Überhaupt soll mal jemand erklären, welche Eigenschaft denn einer Stadt das offenbar erstrebenswerte Attribut sexy einbringen kann. Vielleicht hat ohnehin bloss eine auf das Allheilmittel "Sex sells" getrimmte Polit-PR-Agentur Wowi den inzwischen legendären Ausspruch eingeflüstert.

Bunz' urbane Penner positiv umgedeutet haben neulich Holm Friebe und Sascha Lobo mit ihrem viel beachteten Buch Wir nennen es Arbeit. Die gleichen kreativen Menschen mit Laptop sind nun keine bemitleidenswerten urbanen Penner mehr, sondern dürfen sich fortan – was natürlich viel sexier und erstrebenswerter klingt – als digitale Bohème bezeichnen. Deren Inbegriff ist es, auf eine Festanstellung selbstbewusst zu pfeifen und kreative Arbeit an einem inzwischen möglichst schwarzen Mac-Book in einem hippen Berliner W-LAN-Café zu verrichten. Cool, ganz bestimmt. Aber reich, geschweige denn zu reich?

*teutonische Version der helvetischen Chefredaktorin
Zureich-Bilder mit freundlicher Genehmigung von lido_6006. Mehr Zureich-Bilder bei Flickr.
Eine spezielle Person (und alle andern, die es nie zu sagen wagten) verzeihe mir, dass hier die Welt schon wieder mit besonders humorlosen Ausdrücken wie "kapitalismuskritisch" belästigt wird.

Freitag, Dezember 08, 2006

Zürich-Berlin-Freundschaft am Central



Dieser Stein am Zürcher Central behauptet nicht nur, dass Berlin genau 863 km von Zürich entfernt sei, sondern besiegelte am 11. April 1959 sogar die Freundschaft der beiden Städte. Es mag für Züri-Berlin etwas schändlich anmuten, diese Tatsache bisher verschwiegen zu haben, aber wie so oft im Leben gilt auch hier: Besser spät als nie. Schliesslich hat auch meine Wenigkeit den Zürich-Berlin-Stein mehr als 20 Jahre lang erfolgreich ignoriert, obwohl er prominenter kaum platziert (die NZZ schreibt heute noch placiert) sein könnte. Das Offensichtliche zu sehen, ist schliesslich gar nicht immer so einfach. Zudem versteckt sich die bedeutsame Inschrift inzwischen hinter der unerwünschten Sorte Streetart.
Angesichts des nicht ganz geringen Durchmessers der Stadt Berlin wäre interessant zu erfahren, wo denn der Berliner Referenzpunkt für die damalige Messung der 863 km liegt. Gemäss Google Maps liegt nämlich Berlins Mitte auf einer Kreuzung beim Alexanderplatz, was immerhin in Berlin-Mitte ist. Die geometrische Mitte der Stadt liegt hingegen beim Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg. Aber wie haben die das wohl damals bestimmen können, so ganz ohne Google Maps? (Wie hat man überhaupt ohne Google mal leben können?)
Zürichs Mitte liegt offenbar auf dem berüchtigten Platzspitz (der heute ja wieder ein schöner Park ist und unrühmlicherweise als Needle Park bereits internationale Bekanntheit erlangt hatte).

In Stein gemeisselte Freundschaften an centralen Plätzen sind für Städte wohl fast so etwas wie die menschliche Blutsschwestern- bzw. Blutsbrüderschaft.

bearbeitetes Bild von grobi alias Haseklein

Dienstag, Dezember 05, 2006

Berlin-Theoretiker Florian Illies

Gleich schlage ich mit hoch offiziellen Floskeln um mich, um einen bereits publizierten Text anzukündigen, der besser zu Züri-Berlin gar nicht passen könnte:

Nachdruck des folgenden Textes mit freundlicher Genehmigung des Magazins "du" und des Autors Florian Illies:
Berlin – Trat früher als Vorgruppe von Bonn und Moskau unter den Namen West-Berlin und Ost-Berlin auf, 3,5 Mio. Einwohner, die mit Beamtenbesoldung oder anderen staatlichen Subventionszulagen am Verlassen der Stadt gehindert werden sollen. Die Emigrationsauswirkungen der seit Juni 2003 sechs täglichen Direktflugverbindungen nach Zürich sind noch nicht bezifferbar. Grösster Stolz: das drehbare Restaurant im Alexanderturm, kleinster gemeinsamer Nenner: Currywurst. Stilprägend: Heiner Müllers Brille (Ost), Harald Juhnkes Tolle (West). Die Stadt hat die zweijährige Besatzungszeit unter Thomas Borer und Shawne Borer-Fielding unbeschadet überstanden. Keine Aussage über Berlin stimmt, weil mindestens auch das Gegenteil richtig ist. Grösstes zusammenhängendes Gründerzeitensemble Europas, grösste unzusammenhängende Debattierbühne Deutschlands. Wer keinen Hund hat, wird Stadttheoretiker. [Züri-Berlin fühlt sich ertappt und hätte sich zwecks Einatmung frischer Luft statt eines Stadt-Blogs vielleicht doch besser einen Hund zugetan.] Die anderen warten. Auf den 1. Mai, die Love-Parade, die Rückkehr der 20er Jahre, den Aufschwung oder den Berlinroman. Die örtliche Sprachpolizei verteilt Busszettel für die Verwendung folgender Begriffe: "Prenzelberg", "Kiez", "Flaneur", "Spreeathen" bzw. "In der Schweiz wird man aber besser bedient". Dennoch: eine wunderbare Stadt. Siehe auch Themenpark Mitte, Berlin-Syndrom, Berlinroman.
Florian Illies

Bei meinem Umzug in Zürich fiel mir eine ältere Spezialausgabe der erwähnten Kulturzeitschrift "du" in die Hände: Was Zeitgenossen wissen müssen. Von A-Z. Unter B sprang mich der Berlin-Eintrag regelrecht an, und ich bat das "du", wo der Text zum ersten Mal erschienen ist, und den Autor, die unterhaltsamen Zeilen bei Züri-Berlin "nachdrucken" zu dürfen. Erst später realisierte ich, dass derselbe Autor auch Urheber eines vielzitierten Buches ist: Generation Golf. Heute kümmert sich Florian Illies um eine sehr hübsche, monopole Kunst- und Lebenszeitschrift, die selbstverständlich nirgendwo anders als in Berlin beheimatet ist, allerdings vom Zürcher Ringier-Verlag herausgegeben wird.
Nachdrücklich gesucht wird im Übrigen eine findige Person, die im digitalen Zeitalter dem Wort "Nachdruck" ein neues Kleid schenkt. Denn die Zukunft gehört – glaubt man der Trendmeteorologie – ohnehin dem E-Paper. Aber vielleicht ist dieses E-Paper ja genauso ein Mythos wie das papierlose Büro, von dem man mal so viel auf Papier Gedrucktes gelesen hat.

Freitag, Dezember 01, 2006

Züri-Berlin amüsiert sich im WWWunderland

Die Medienlandschaft wird ohnehin längst als zunehmend auf sich selbst bezogen beschrieben. Und auch Blogs haben die Tendenz zur Selbstreferenzialität.

Züri-Berlin scheut sich deshalb nicht, im Folgenden, sich selbst und einige bemerkenswerte Blüten im Internet-Garten vorzuführen. Allen voran der Generator "Says It", der neben vielen anderen kleinen Wundern auch den Traum einer eigenen Schallplatte ganz rasch erfüllt.


Ein weiteres amüsantes Ding in diesem Internet ist Spell with Flickr.


GoogleMap-MashUps sind in aller Munde. Naja, immerhin in den Blog-Einträgen einiger Computer-Nerds und Internet-Junkies. Dass Häuser offenbar versteckte Botschaften übermitteln wollen, wenn man sie bloss aus der richtigen Perspektive betrachtet, war neulich in der wundersamen Riesenmaschine zu lesen. Jetzt ist klar: Die Häuser der Welt sprechen die Sprache von Züri-Berlin.



Ausstellungen lassen sich mit dumpr.net leicht faken, falls man sich ohne einschlägige Arbeitserfahrung mal als Kuratorin bewerben möchte und den Lebenslauf aufpeppen muss.

Für noch mehr Glanz und Gloria gibt es Glittermaker und Glittergraphics, die auch graue Maus-Blogs zum Glitzern bringen. Der Biederkeit lässt sich leichtfüssig ein hiphoppiges - oder auch kitschig pinkfarbenes - Image entgegensetzen:


Myspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter Graphics-Myspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter GraphicsMyspace Glitter Graphics, MySpace Graphics, Glitter Graphics

Auch Prominente haben zum Thema leicht reden. Wer Benedict oder Borat besucht, wird garantiert mit einer Sprechblase persönlich angesprochen werden.

Generated BoratSays.com


Der BannerGenerator, Signbot und viele andere bieten weiteres Vergnügen mit Buchstaben auf den Spielplätzen des WWW.

Und wer von den Online-Spielereien mit Alphabet-Inventar noch nicht genug hat, kann sich auch die analoge Wohnung mit ausgewählten Buchstaben- Möbelstücken von SET26 einrichten. Immerhin kann man sich das vorab virtuell simulieren lassen. Die Frage, ob der Augenschmaus auch wirklich praktisch ist, um Unterwäsche, Besen und Schraubenzieher unterzubringen, müssen andere beantworten. Aber die Kombination von Schönheit und Zweckdienlichkeit war ja schon immer so selten wie Fische auf Fahrrädern.