Samstag, Mai 27, 2006

Der neue Berliner Hauptbahnhof


Gestern Abend wurde der neue Berliner Hauptbahnhof mit einigem Pomp eingeweiht. Es handelt sich beim neuen zentralen Bahnhof um ein euphorisches Projekt, das nach dem Fall der Mauer angepackt wurde. Der noch aus anderen Kontexten bekannte „Bahnhof Zoo“ hat bisher den westlichen Stadtteil bedient, der „Ostbahnhof“ den östlichen. Diese Bahnhöfe werden weiterhin existieren, sollen aber zu Regionalbahnhöfen degradiert werden, was teilweise erstaunlich emotional aufgenommen wurde. Beim ehemaligen „Lehrter Stadtbahnhof“ wurde in den letzten Monaten ein eindrücklicher Glasbau zum „Hauptbahnhof“. Dem Projekt wurde mit viel Skepsis begegnet, gerade auch weil viel Ehrgeiz dahintersteckt: der neue Bahnhof möchte das grösste Eisenbahnkreuz Europas sein. Das bringt für einige logistische Vor-, für andere reisetechnische Nachteile.
Leider sind die Feierlichkeiten von einem Amoklauf überschattet worden, der wohl im Ausland mehr Schlagzeilen machen dürfte als die Einweihung selbst.
Für die per Nachtzug-Reisenden ändert sich an der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs vorerst nichts. Der CityNightLine aus Zürich hält weiterhin im Bahnhof Zoo und Ostbahnhof.

Dienstag, Mai 23, 2006

Deutsche Ampeln

Die Berliner Ampelmännchen haben sich für die Souvenir-Industrie als sehr lukrativ erwiesen.



In der DDR wurde das Ampelmännchen durch den Verkehrskompass, eine Sendung zur Verkehrserziehung im Fernsehen der DDR, mit einer Identität versehen. Da es in Gesamtdeutschland nun vom West-Ampelmännchen ersetzt zu werden drohte, formierten sich Initiativen zu Erhaltung der beliebten Ampelmännchen. Der freundliche Mann mit Hut wurde zum Maskottchen der Ostalgie, der verbreiteten DDR-Nostalgie.

Letztes Wochenende fotografierte ich in Hamburg eine weitere deutsche Spezialität von Ampelmännchen: Zwei rote verbieten, die Strasse zu Fuss zu überqueren, aber nur ein grünes gibt die Erlaubnis dazu.



Seit Ende November 2004 gibt es in Zwickau offenbar das erste Ampelweibchen.

Donnerstag, Mai 18, 2006

Palast der Republik





Die Zukunft des "Palasts der Republik" war in den letzten Jahren nicht zuletzt auf Grund der zentralen Lage und seiner historischer Bedeutung heiss umstritten. Das Gebäude im Zentrum Berlins wurde 1976 eröffnet und beherbergte die Volkskammer der DDR. Der Palast wurde auf dem Gelände des im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörten Berliner Stadtschlosses gebaut, das im Jahr 1950 wegen Ablehnung der Rekonstruktion und Subventionierung eines Symbols des preussischen Militarismus und Adels und wegen Finanzknappheit nach Kriegsende gesprengt wurde. Nach dem Abriss des Stadtschlosses wurde das Areal 23 Jahre als Fest- und Aufmarschplatz, Politikertribüne und Parkplatz genutzt.
Seit dem Mauerfall sollte der ehemalige Palast der Sozialistischen Einheitspartei abgerissen werden (es wurde z.B. Asbest gefunden), verschiedene Anträge zur Erhaltung des Gebäudes, vor allem von linker Seite, verzögerten aber das Vorhaben.



Seit Februar diesen Jahres wird der Palast derzeit schrittweise abgetragen. Bis Ostern 2007 sollen die Arbeiten beendet sein.
Der Abriss des früheren SED-Palasts nennt sich nun auf offizellen Tafeln bei der Baustelle beschönigend "selektiver Rückbau".

Das untere Bild stammt vom letzten Wochenende, das obere von Wikipedia.

"Herr Lehmann" um die Ecke

Der Film "Herr Lehmann" (2003) spielt bei mir um die Ecke in Kreuzberg, allerdings kurz vor dem Mauerfall. Kürzlich habe ich die DVD dazu gekauft und mir den Film (nachdem ich ihn vor gut zwei Jahren in Zürich im Kino gesehen hatte) nochmals angesehen. Ich erkannte Strassennamen, Eckhäuser und Cafés (z.B. das uralte Schild des Café im Grenzbereich), allerdings auch kleine Unstimmigkeiten, die wohl nötig waren, um die Zeit vor November 1989 plausibel erscheinen zu lassen. Seither hat sich in der Gegend einiges verändert.



"Berlin-Kreuzberg im Jahr 1989 ist ein kleiner Kosmos in einer riesigen Galaxie, schon das angrenzende Kreuzberg 61 ist befremdendes Ausland, Charlottenburg ein anderer Kontinent und die DDR ein fremder Planet. Kreuzberg SO36* ist der Kiez, in dem Herr Lehmann zu Hause ist. Er ist der Guru einer beschaulichen, übersichtlichen Welt voller Philosophen, Künstler, Biertrinker, Kokser, Heteros, Schwuler und anderer Lebenskünstler, die inmitten einer feindlich gesinnten Welt ihre Enklave und das Recht auf Stillstand gegen jede Form von Veränderung verteidigen. Herr Lehmann heißt eigentlich Frank, aber da er schon bald dreißig wird, nennen ihn alle nur noch "Herr Lehmann". Doch unaufhaltsam schleichen sich Störungen in die lieb gewordenen Gewohnheiten seines Lebens: Ein aufdringlicher Hund, der Besuch seiner Eltern, die schöne Köchin Katrin, sein bester Freund Karl und ein bis dato unbekannter Kristallweizen-Trinker werden in kurzer Zeit für mehr als nur Unruhe sorgen. Während sich im Ostteil der Stadt und in der ganzen DDR große Umbrüche ankündigen, hat Herr Lehmann alle Hände voll zu tun, die an ihn herangetragenen Herausforderungen zu bewältigen."
(Quelle: Film-Website)

Das Frühstückscafé "Cream" an der Schlesischen Straße hat einige Frühstücksmenüs nach dem Film benannt.

Das Buch "Herr Lehmann", auf dem der Film basiert, hat übrigens Sven Regener geschrieben. Er ist der Sänger einer meiner Lieblingsbands namens Element of Crime.


*Kreuzberg SO36: bis zur Einführung der neuen Postleitzahlen wurden die einzelnen Bezirke Westberlins in Postzustellbezirke unterteilt, in Kreuzberg gab es Kreuzberg 61, vorderes Kreuzberg, und eben SO36, das Gebiet, das dahinter, nah an der Mauer, lag. Heute heisst noch ein sympathisches Nachtlokal an der Oranienstraße SO 36. Und die Quartiergegend nennt sich Wrangel-Kiez.

Samstag, Mai 06, 2006

Anders fürs Gleiche

Velo heisst hier Fahrrad, man grilliert nicht, sondern man grillt – und genauso verhält es sich mit dem Parkieren bzw. dem Parken. Das Natel existiert nicht, das Trottoir und der Kondukteur sowieso nicht. Nur das Mobiltelefon oder Handy, der Gehsteig und die Schaffnerin. Es nimmt auch niemand wunder, sondern man fragt sich hier eher. An den Türen steht nicht „stossen“ – wenn, dann würde „stoßen“ stehen – hier „drückt“ man. Der Schriftzug „Ziehen“ an Türen scheint aber grenzüberschreitend verbreitet zu sein. Und am Abend geht man in die Kneipe, sicher nicht in die Beiz, um eine Weinschorle statt einem gespritzten Weissen zu trinken. Oder ein Alster statt einem Panaché.
Diskussionen über Wie-sagt-man-das-bei-euch? sind an der Tagesordnung.

Berliner Philharmonie

Einen Blick hinter die Kulissen der internationalen Welt klassischer Musik gewährte mir gestern mein Grossonkel Christoph, der mich in die Berliner Philharmonie - das Pendant zur Zürcher Tonhalle - einführte. Er war 37 Jahre bei den Berliner Philharmonikern und hat die Gruppe der 12 Cellisten mitbegründet, die u.a. dafür bekannt wurden, dass sie Stücke von Bach bis Beatles für 12 Celli arrangierten.



Christoph blickt auf ein kosmopolitisches Leben zurück, ist durch die halbe Welt getourt, war insgesamt 18 Mal in Japan, dessen Kultur er noch immer angetan ist. Seit seinem Schlaganfall kann er leider nicht mehr Cello spielen, nimmt aber noch immer aktiv am Orchesterleben teil. Er führte mich durch die Künstlereingänge und zeigte mir in der Musikerkantine vor dem Konzert und in der Pause die Grössen der aktuellen internationalen Musikszene und klärte mich über deren familiäre und amouröse Verstrickungen auf. Mich führte er jeweils als sein Nichte vor. Als ich ihn darauf hinwies, meinte er schmunzelnd: Grossnichte versteht ja keiner.
Das Konzert war zwar ruhig, aber hervorragend: Schostakowitsch und Silvestrov.

Mittwoch, Mai 03, 2006

Werdegang des Potsdamer Platz



Heute ist der Potsdamer Platz eine touristische Attraktion. Riesige, hochmoderne Gebäude mit Einkaufszentren, Kinokomplexen und weiteren modernen Vergnügungsmöglichkeiten.

Kürzlich wurde ein Film gezeigt, der die 10-jährige Baustelle von Anfang bis Schluss künstlerisch dokumentiert hat: 80´000 Bilder insgesamt umfasst der Film - daher sein Name: 80´000 Shots. Zwischen 1990 und 2000 filmte Manfred Walther wie aus dem Niemandsland im ehemaligen Grenzgebiet eindrückliche Gebäude entstanden sind. Ob schön oder nicht hängt vom architektonischen Geschmack ab. Mit beschleunigter Bildabfolge und geschickt hinterlegter Musik wird im Film die Baustelle zu einem Video-Kunstwerk.
In breitem Berlinerisch erklärte uns der Filmemacher an der darauffolgenden "DVD-Release-Party", dass es schon etwas einmaliges sei, dass solche Projekte mitten in einer Grossstadt durchgezogen würden. In allen anderen Städten würde am Rand in diesem Stil gebaut, nicht mitten im Zentrum. Berlin ist eben anders.

Der lange Weg ins Internet



Seit einem Monat treibe ich mich nun fast täglich in Internetcafés herum oder Cafés mit einem kabellosen Internetzugang - zu Neudeutsch: Hotspot. Ich warte und warte auf den offensichtlich unentbehrlich gewordenen Internetanschluss. Erst musste ich mich durch das Meer von Internet-Sonderangeboten kämpfen. Die meisten empfahlen mir Alice als DSL-Provider (ADSL scheint ja eine Schweizer Spezialität zu sein), die ich erst gar nicht in Betracht gezogen hatte, weil deren Werbung omnipräsent und zudem hochgradig sexistisch ist. Dennoch scheint das Angebot unschlagbar zu sein, was Service und Preis betrifft.



T-Com, liberalisierter Abkömmling der staatlichen Deutschen Telekom, hat ebenfalls DSL-Angebote, von welchen mir aber allerseits wärmstens abgeraten wurde: horrend teuer und schlechte Leistung. Da aber die T-Com nach wie vor das Monopol auf Telefonanschlüsse hat, begab ich mich dafür in einen T-Com-Shop. Dort hetzten sie mir statt einem Kundenberater einen regelrechten Händler auf den Hals. Dieser versuchte mir über eine halbe Stunde lang alles mögliche aus der gesamten Sonderangebotspalette anzudrehen - schlimmer als auf einem Markt in Tunesien.

Ich beharrte darauf, dass ich einen simplen Telefonanschluss anmelden möchte - ohne DSL-Internetzugang. Der T-Com-Händler liess durchblicken, dass er mich für stur und blöd hielt, dass ich sein Komplett-Super-Kombi-Angebot inklusive DSL und "Billig"-Tarif in die Schweiz auch dann nicht annahm, als er mir erst versprach, einen, dann zwei und schliesslich sogar drei Monate DSL-Gebühren zu schenken. Ich bemerkte nebenbei, dass ich mir manchmal eine zentralstaatlich organisierte Telefongesellschaft zurückwünsche, bei der ich einfach einen Telefonanschluss bestellen kann - ohne von unzähligen konkurrierenden Firmen mit Werbung und Sonderangeboten überflutet zu werden. - Ja, wollen Sie denn weiterhin solche Wucherpreise bezahlen?
Ich wiederholte, dass ich nun definitiv einfach den Anschluss von T-Com anmelden möchte. Aber auch da gab es noch etwas zu handeln. Wenn ich zwei Prepaid-SIM-Karten fürs Handy im Wert von je 10 € kaufen würde, zum Preis von je 20 €, dann würde er mir die 60 € Anschlussgebühr erlassen. Ich stöhnte und sagte genervt, dass ich abermals kein Sonderangebot wünschte, sondern bloss diesen Telefonanschluss. Und SIM-Karten seien ja in der Regel für Mobiltelefone, ich wolle aber einen Festnetzanschluss. Aber Sie wollen doch nicht 60 € bezahlen, wenn Sie es auch für 40 € bekommen können? - Ja, aber ich habe ja bereits eine SIM-Card, was soll ich denn mit zwei weiteren? Er liess nicht locker und schlussendlich unterschrieb ich haareraufend zwei SIM-Karten-Verträge fürs Handy, ohne diese zu benötigen, bloss um endlich diesen Festnetztelefonvertrag zu bekommen.

Das Internet aber läuft noch immer nicht. Alice und T-Com sind noch im Papierkrieg, und es dauert wohl noch einmal mindestens eine Woche, bis ich dann zu Hause online bin. Bis dahin tummle ich mich mit meinem Laptop in Cafés mit heissen Flecken oder beobachte in meist türkisch geführten Internetcafés die Onlinepartnersuche meiner Computernachbarn oder das kichernde Chatten im speziell abgetrennten Frauenabteil.

Retorten-Altstadt


Der Besuch im Nikolai-Viertel hat mich beeindruckt. Diese Gebäude sind von einer faszinierenden Hässlichkeit. Ursprünglich war es das älteste Wohnviertel der Stadt Berlin. Im Zweiten Weltkrieg wurde aber das Quartier von Bomben fast gänzlich zerstört. Zunächst vernachlässigte die DDR-Verwaltung das alte Stadtzentrum, das im ehemaligen sowjetischen Sektor liegt. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier der Stadt im Jahre 1987 plante man, das Quartier touristisch wieder aufzuwerten. Entstanden ist eine synthetische Altstadt mit sozialistischer Plattenbauphilosophie im Hintergrund - eine höchst kuriose Mischung.