Blog-Recycling in Gratiszeitung
Diesen Schnipsel hat die zukünftige Berlin-Schweizerin Angela (mit eigenem Berlin-Blog) aus der Abendzeitung "heute" gerissen, die es vor meiner Abreise in Zürich noch nicht mal gab. Das nennt man wohl Blog-Recycling als Content für Gratiszeitungen. Bei dieser Art von Medienprodukten ist zunehmend Content statt Inhalt mit grösserem journalistischen Rechercheaufwand gefragt. Schliesslich muss man irgendwo zwischen der teuer verkauften Werbung, den Publireportagen, den Politik-Fastfood-News und der reichen Bebilderung mit Partygirls noch etwas Text abdrucken, damit man sich Zeitung nennen darf.
Aller Häme zum Trotz war ich natürlich erstaunt (und zugegebenermassen etwas erfreut), dass sich die Content-Manager von "heute" ausgerechnet die Schweizer Sprachverwirrungen in Berlin ausgesucht haben.
8 Comments:
Du findest heute also doof, bist aber trotzdem stolz/froh/geschmeichelt dass sie dich ausgewählt haben? Bravo. Blogger-Test bestanden.
Genauso ist es, liebe anonyme Person:
Wer intellektuell und medienkritisch etwas auf sich hält, hat "heute" wohl doof zu finden. Jedenfalls aus der Sicht, dass es zunehmend eine gefährliche Vermischung von Unterhaltung und Information gibt. Zudem erscheinen Werbetexte in Form von Publireportagen oder gut platzierten PR-Meldungen als Nachrichten getarnt in solchen Gratiszeitungen, wo kaum Zeitressourcen vorhanden sind, eigene redaktionelle Texte zu verfassen. Gratiszeitungen sind in der Regel Rendite-Maschinen mit wenig Anspruch, relevante und aktuelle Nachrichten zu verbreiten.
Das Geschäftsmodell (wie es um "heute" steht, weiss ich nicht, aber die Gratiszeitung 20min ist finanziell gesehen die erfolgreichste Schweizer Zeitung) ist auf jeden Fall sehr erfolgreich. Und es ist auch kein Geheimnis, dass sich traditionelle Zeitungen mit höherem Anspruch zu informieren mit zunehmender Mühe über Wasser halten.
Insofern halte ich die Entwicklung dieser Art von Journalismus für problematisch, wenn auch scheinbar von ökonomischen Zwängen begleitet.
Gleichzeitig bin ich natürlich - wie du richtig bemerkt hast - eine dieser eingebildeten und besserwisserischen Bloggerinnen, die sich über jegliche Aufmerksamkeit freuen.
Verrätst du mir nun, was der Blogger-Test ist?
Was ich nicht wusste, als ich mich über "heute" und die Weiterverwendung meines Blog-Inhalts ausgelassen habe:
Dass das Thema "Blogs als billige Contentmaschine" vor zwei Jahren bereits ausführlich diskutiert wurde. Eine Debatte, die sich natürlich auch um Urheberrechte dreht. Über diesen Link gelangt man zu vielen Seiten, die sich mit dem Thema schon beschäftigt haben:
http://medienlese.com/2006/09/04/blogkritik-und-recycling/
Ich entdeckte einen meiner Beiträge kürzlich in einem Webforum. Ohne Kommentar, ohne Zusatz, allerdings mit Link. Als ich dort (in dem Webforum) einen Kommentar hinterliess, nämlich lediglich, dass die Veröffentlichung an diesem Ort meinem erklärten Willen widerspräche, wurde ich "kleinlich" genannt, so verhalte ich mich also wahrhaft zu dem von mir oft angeprangerten Kleingeist, schade dass mancher Blog-Betreiber auf diese Art seine guten Beiträge zu nichte mache usw. Allgemeine, breite Enttäuschung über mich.
Manchmal ist die Verlinkung im Sinne einer Weiterverbreitung ja nett. Gerade aber, wenn sich jemand gegen eine unfreiwillige Veröffentlichung (nicht bloss Verlinkung) wehrt, sollte das auf keinen Fall als kleinlich bezeichnet werden! Die Enttäuschung ist aus meiner Sicht berechtigt.
Heute habe ich übrigens festgestellt, dass "heute" auch die Schweizer Blogs (wahrscheinlich über blog.ch) auf http://www.heute-online.ch/blogs/live veröffentlicht. Da fragt man sich ernsthaft, warum man eine "Creative Commons Lizenz" einbaut, die bloss eine nicht-kommerzielle Nutzung erlaubt, wenn dann eine Gratiszeitung den Inhalt druckt und ihre Website damit als Content speist. Irgendeinen finanziellen Nutzen muss diese Gratiszeitung ja davon haben, wenn sie die ganze Werbefläche sowohl in der Printausgabe wie auch auf dem Webauftritt verkaufen kann. Vielleicht weiss jemand von schon bestehenden Bestrebungen, die Missachtung von Creative Commons Lizenzen zu ahnden? Braucht es eine Initiative, um diese Unterwanderung durch hemmungslose Content-Manager (Journalist/in wäre dafür ja wohl die falsche Bezeichnung) zu stoppen?
Läck, du bist ja eine lustige. Ist doch schön, wenn dich jemand verlinkt, oder? Übrigens zieht sich heute die Blogs von slug.ch und nicht von blog.ch - bei deiner Intelligenz hätte ich da schon etwas genauere Recherchen erwartet - irgendwie.
@ Claudio:
Ja, ich weiss, die Naturgesetze des Bloggens bestehen scheinbar darin, zu wollen, möglichst oft verlinkt zu werden. Es beginnt mir ja auch allmählich zu dämmern, dass ich das wohl wollen sollte. Vielleicht wollte ich ursprünglich wirklich nur mal ein paar Freundinnen und Freunden in der Schweiz einen Einblick ins Berliner Leben gewähren und nicht Füllmaterial für ein neues Medienprodukt sein, das mit einem erfolgreichen Werbe-Geschäftsmodell mit wenig eigenem Inhalt viel Kohle macht. Ob das jetzt mit meinem Inhalt ist oder nicht, ist mir im Grunde egal. Aber ich finde es nicht richtig, dass man für so etwas nicht gefragt wird, gerade auch wenn man den Inhalt einer nicht-kommerziellen Creative Commons-Lizenz unterstellt.
Ich gebe auch gerne zu, dass mein ganzes Geschrei um die Sache vor allem damit zu tun hat, dass es mich nervt, dass viele Printmedien, die sich bemühen, seriös Informationen zu recherchieren, immer weniger Inserate und somit weniger Geld zur Verfügung haben, weil das Inseratevolumen an Gratiszeitungen geht, die vor allem unterhalten statt zu informieren.
Ich habe mich übrigens bei slug.ch nie eingetragen, sondern nur bei blog.ch und somit war es wohl doch indirekt über blog.ch oder sonstige unerfindliche Wege, wie ich in den "heute" Blog-Aggregator gelangt bin.
Ich bin leider nicht intelligent genug, um zu verstehen, was du mit dem Hinweis auf meine angebliche Intelligenz meinst.
Slug hat deine Daten vermutlich von blogug.ch. Blogug ist eine Vereinigung einiger Blogger, die eine Liste herausgibt (OPML), welche sich Aggregatoren zu Nutze machen können. blog.ch und blogug.ch arbeiten eng zusammen. Und auch slug.ch provitiert davon.
Die Anspielung auf die Intelligenz. Früher wurde slug auf heute erwähnt, dem ist jetzt offenbar nicht mehr so (war schon lange nicht mehr dort) - sorry, hab mich geirrt.
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