Freitag, März 09, 2007

Wege nach Züri-Berlin

Es ist ein Blick in die Seele Wildfremder, den man gar nicht unbedingt haben wollte. Wer sich einst wünschte, man könne Gedanken lesen, hat jetzt den Salat. Manche Finger tippen schneller in Suchmaschinen als Gehirnwindungen prozessieren können, was durch sie hindurch rast.



Eine besonders unterhaltsame Rubrik von Bloggerin sopran (eine ähnlich unverbesserliche Passig-Verehrerin wie meine Wenigkeit), ist jene namens Wege zu mir. Aus Blog-Statistiken geht hervor, was man mit Tastaturen so anstellen kann und mit welchen unglaublichen Fragen unbekannte Menschen plötzlich auf das ausufernde Geschreibsel in Blogs stossen. Von sopran wollen z.B. Googelnde wissen: "wer hat PMS erfunden", "Was an Sachen darf ich mit ins Gefängnis nehmen", "Liebhaber breiter Hüften", "möchte so gerne ratte eltern dagegen" und was es mit "schnörzen" auf sich hat.

Die Wege sind oft köstlich sonderbar, im Falle von Züri-Berlin auch nicht selten anzüglich. Am meisten Unique Visitors verursacht hier ohnehin der Eintrag (und die Kommentare zu) "Schwarze Alice gegen nackte Alice", und bietet sehr regelmässig Antwort auf Fragen wie "Wer ist das Model der Alice-Werbung?", "nackte Schwarze", "nackte Frauenhaut" etc. Die Klickenden dürften nicht finden, was sie suchen, aber warum klicken sie dann überhaupt, wenn doch hinter Zürich und Berlin zunächst nicht viel Anzüglichkeiten zu erwarten sind. Jedenfalls nichts, was mit "anonymen nackten Gruppen" zu tun hätte. Leider gibt es hier auch keinen Lebenslauf in Flaschenform - my sincerest apologies.

Und wenn wir schon in selbstreferenziellen Gewässern der Blogosphäre dümpeln:



Wer Lobhudeleien des Blogdenunziaten über sich ergehen lassen darf, soll sich nicht beklagen, ausgerechnet zur Alternative unter studentischen Blogs gekürt zu werden. Auch wenn ich mindestens wöchentlich erfolglos gegen mein unerträglich alternatives Image ankämpfe:

"Nein, ich bin erstaunlicherweise nicht Vegetarierin, war es noch nie, und ich habe zwar nichts gegen pestizidfreie, hormonlose und gentechnisch unveränderte Lebensmittel, aber ich esse tatsächlich auch schamlos Unge-Bio-Label-tes. Sogar ein paar mal geflogen bin ich schon, was mich durch meinen fast autofreien Lebenswandel auch nicht mehr in den Ökohimmel katapultieren wird. Immerhin gebe ich zu, schon mal zur Gewissensberuhigung ein MyClimate-Ticket gekauft zu haben. Auch wenn ich keinen Fernseher habe, gibt es bei mir zu Hause und in netten Cafés doch so etwas wie dieses Internet, und ich habe auch kein selbstgehäkeltes Handytäschchen."

Wer gelobt wird, soll – wenn angebracht – zurückloben. Über den Blogdenunziaten ist zu sagen, dass er ein wahrer digitaler Verkleidungskünstler ist. Er betreibt gleichzeitig eine unüberschaubare Zahl von Kanälen, ist zugleich Verwerter, Positivist, Dissident, "heute"-Satiriker, blicksam, Frank Schrillmacher und eigentlich David Berger, von dem ich mich ernsthaft frage, wann er schläft und frische Luft atmet, und von dem ich gerne irgendwann mal Gedrucktes lesen möchte. Das würde nämlich auch die Unüberschaubarkeit seines literarisch flinken publizistischen Schaffens angenehm eingrenzen.

Und noch etwas in eigener Sache:
Der letzte Eintrag wusste erstaunlicherweise den Schnellschuss einer Redaktorin der anderen - nicht "heutigen" - Zürcher Gratiszeitung zu verhindern. Diese rief mich nämlich gestern wegen meines spontanen Aufrufs zu einer E-Mail-Petition an, die einem tollen, jungen Assistenzprofessor zugedacht ist. Dieser muss wahrscheinlich unser – vergleichsweise ohnehin sehr dürftig mit Lehrstühlen bestücktes – Institut an der Uni Zürich zugunsten eines zurzeit in Konstanz tätigen Professors verlassen. Hätte die gute "20 Minuten"-Reporterin nicht beim Namen-Googlen meinen Eintrag zum Thema "Deutsche in der Schweiz" gefunden, müsste man sich schon fast wieder auf eine Schlagzeile in der Gratiszeitung gefasst machen im Stil von: "Schweizer Professor für einen Deutschen abgesetzt". Dazu sind Blogs offenbar da: Skandalhungrigen Gratisblättern von Beginn weg klar machen, dass sie damit an der falschen Adresse wären. Der Artikel über die Petition wurde inzwischen auf nächste Woche verschoben, ich sammle fleissig Namen von Mitstudierenden, die ebenso die Betreuungssituation am Institut für Politikwissenschaft verbessern wollen und den geschätzten Assistenzprofessor bei uns behalten möchten. Meine Mailbox überquillt. Ganz froh bin ich im Übrigen über die Tatsache, dass schliesslich festgestellt wurde, dass jener Professor in Konstanz ohnehin Schweizer ist, was die befürchtete Schlagzeile schlagartig in Luft auflöste.