Dienstag, Juli 25, 2006

DDR-Geschichte als Fast Food

Gleich neben der prominenten Abriss-Baustelle des ehemaligen DDR-Regierungspalasts wurde vor einer guten Woche das DDR-Museum eröffnet. Die zentrale Lage in der Berliner Innenstadt wird künftig wohl unzählige Touristinnen und Touristen anziehen, die sich über die Alltagskultur in der Deutschen Demokratischen Republik informieren wollen. Anspruch auf eine erschöpfende Darstellung des Alltagslebens einer vergangenen Epoche hat das Museum nicht. Es möchte einen "lebendigen, anregenden und authentischen Eindruck" vermitteln, heisst es in der Infobroschüre.

Der Rundgang ist durch die Überschaubarkeit der Ausstellung in einer knappen Stunde gut zu schaffen, die Texte zu den ausgestellten Objekten sind kurz und knackig. Viele Aspekte des DDR-Alltags werden angedeutet und mit Originaldokumenten und Gegenständen teilweise wunderbar illustriert. Die Idee, das Alltagsleben in der ehemaligen DDR ins Blickfeld zu rücken, besticht durchaus: Sie verspricht eine Brücke zu bauen zwischen dem Ostalgie-Kommerz und der eher ernsthaften Auseinandersetzung mit der DDR (wie zum Beispiel die Überwachung der Stasi im hervorragenden Film "Das Leben der Anderen").

Spannend fand ich im Museum die Darstellung der FKK-Kultur oder des Umgangs mit Musik. Eine der beliebtesten DDR-Rockbands waren die "Puhdys". Beat-Musik wurde hingegen von der Regierung abgelehnt und Liedtexte zensiert. Interessant ist auch die Geschichte um die LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften), die im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft mehr oder (oft) weniger freiwillig entstanden sind. Auch die ausgestellten "Urlaubsausweispapiere" im Original und die Thematisierung der Medienzensur haben mir gefallen. Neben einem Modell-"Trabi" (das DDR-Auto hiess eigentlich "Trabant") wird die Herstellungsart der Karosserie beschrieben. Diese war ursprünglich zu einem grossen Teil aus Duroplast – einem Kunststoff aus Phenolharz und Baumwolle – gefertigt, was dem Auto den Namen "Rennpappe" einbrachte (Schweizer Übersetzung für "Pappe" ist übrigens "Karton").

Es besteht aus meiner Sicht allerdings die Gefahr, dass durch die stark verkürzte Darstellung das neue Museum zu einer weiteren Stätte des oberflächlichen Geschichtstourismus verkommt. Ähnlich wie der "Checkpoint Charlie", dem bekanntesten ehemaligen Grenzübergang der Berliner Mauer, wird das Museum wohl zu einer touristischen Sehenswürdigkeit, die man im Programm "Berlin in drei Tagen" nach dem Fernsehturm und vor der Currywurst mit Pommes noch rasch abklappert. Ähnlich wie man sich trotz Besuch am "Checkpoint Charlie" kaum darum scheren mag, was denn die Mauer wirklich für Menschenschiksale und Familiengeschichten bedeutet hat und welche Auswirkungen dies bis heute hat.

Ein grosser Zweig der Berliner Tourismusindustrie lebt vom Geschäft mit dem DDR-Kult, der Verniedlichung des vergangenen Staates in Souvenirform. Neben dem Verkauf von Spielzeug-Trabis, Mauerstückchen mit Echtheitszertifikat, DDR-Fussball-Shirts gibt es diverse Ampelmann-Shops, die neben Postkarten mit den beliebten Ost-Ampelmännchen auch Ampelmann-Likör, Gummi-Ampelmännchen in rot und grün, Taschen und Flip-Flops verkaufen.

Ich werde leider das Gefühl nicht los, dass das Museum neben etwas Geschichts-Fast Food vor allem dieser Industrie zudient. Nichts dagegen, dass sich Touristinnen und Touristen, die sich sonst nicht mit Geschichte befassen oder nur wenige Eckpunkte der DDR-Vergangenheit kennen, einen genaueren Einblick erhalten. Für Menschen aber, die tatsächlich in der DDR gelebt haben, stünde es Berlin gut an, ein Museum bereitzustellen, das sich etwas ausführlicher mit der Vergangenheit beschäftigt, statt bloss an der touristisch kommerzialisierbaren Oberfläche zu kratzen.