Donnerstag, Januar 25, 2007

Einstürzende Neubauten und Städtekoalitionen



Berlin holt sich Zürichs stellvertretende Direktorin für Städtebau als Senatsbaudirektorin: Regula Lüscher stammt zwar aus (dem Zürich intimfeindlich verbundenen) Basel, hat aber an der ETH Zürich Architektur studiert und seit 2000 die Gesamtleitung Stadtplanung von Zürich übernommen. Das Berliner Headhunting war offensichtlich erfolgreich.*

Die neue Senatsbaudirektorin wird die grosse Herausforderung annehmen müssen, die Gegend um den ehemaligen Lehrter Bahnhof zu einem richtigen zentralen Stadtteil zu machen: um den Hauptbahnhof endlich von seinem "in the middle of nowhere"-Dasein zu befreien. Als es neulich ein bisschen windig war, fiel tatsächlich ein tonnenschwerer Stahlträger vom neuen gläsernen Prestigebau herunter. Der Deutsche Bahn-Chef Mehdorn muss auch dafür seinen Kopf hinhalten – die Medienleute verleihen ihm ohnehin längst Anti-Preise. Und die Berliner Band "Einstürzende Neubauten" darf wohl auf der Katastrophenwelle eines rauschenden Comebacks reiten.

Während das offizielle Zürich eine verdiente Städteplanerin nach Berlin exportiert, interessiert es sich zurzeit – statt für die Freundschaft mit Berlin – offenbar mehr für die Partnerschaft mit San Francisco. Gemäss einer vorgestern unterzeichneten Vereinbarung wird der Wissensaustausch nun auf die Stadtverwaltungen ausgedehnt.

Immerhin die Universität Zürich und die Humboldt Universität zu Berlin haben (zusammen mit der Uni Wien) im Sommer eine strategische Allianz gebildet, die allerdings in Tat und Wahrheit in erster Linie eine Verbrüderung von Theologie-Professoren ist, die auf den Uni-Rektoren-Posten befördert worden sind. Wenn dies und der Aufruhr in Bezug auf die im Branding-Fieber veranlasste Änderung des Domainnamens von unizh.ch auf uzh.ch die Uni-Bauten der HU und der neuen Marke UZH nicht zum Einstürzen bringt, besteht unter Umständen noch ein Funken Hoffnung auf eine starke wissenschaftliche Achse Züri-Berlin-Wien.




*Der Brain Drain - um nach Headhunting und Branding und Domain dem Denglischen noch eins drauf zu setzen - von Zürich nach Berlin geht weiter. Auch wenn ein bereits erwähnter Berliner Professor, der sich in gestern Abend erstaunlicherweise im gleichen Zürcher Restaurant aufhielt, das Gegenteil behauptete und vielleicht für den akademischen Bereich gar nicht so falsch liegt. Nennen wir es fruchtbaren Austausch. Obwohl Hirn-Abfluss interessanter klingt.

Sonntag, Januar 21, 2007

Züri(ch) / Berlin(er)isch - was jetzt?



Dass man in Kanada nicht kanadesisch spricht, die Neuseeländerinnen auch Kiwis heissen und wo Paschtunen und Kongolesinnen wohnen, kann ja auch nicht jedes Kind wissen. Ob Burkinabe aus der Hauptstadt nun Ouagadougouaner oder Ouagadougouesinnen sind, ist leider zurzeit mit rudimentären Internetsuchtechniken nicht ausfindig zu machen. Dass ein Bewohner von Lesotho Basotho heisst, zwei davon hingegen Masotho, muss man sich mühsam aneignen. Meine Schwester war als Kind überzeugt, das Land in dem man französisch spricht, heisse Französien, und wie die Bewohnerinnen von Äquatorialguinea heissen, weiss ich heute noch nicht.
Auch der Unterschied zwischen Bosnier und Bosniake ist nicht ganz augenfällig, vor allem wenn man nebenbei erfährt, dass Bosniake auch österreichisch für kleines Schwarzbrot ist oder genauso polnischer Armeereiter sowie Preußischer Lanzenreiter bedeutet.

Sagen Sie zu einer Zürcherin bloss nie Züricherin
Angesichts dieses geographischen Babels erstaunt es in keiner Weise, dass es in Deutschland zunächst nicht immer einfach war, klar zu machen, dass ich keine Züricherin bin, obwohl ich aus Zürich stamme. Besonders wenn belesene Menschen Gottfried Kellers „Züricher Novellen“ kennen. Sogar die Blogwiese hat sich mal mit dem Zorn der Zürcher über ein ignorantes "i" auseinandergesetzt. Das Tüpfli (=Pünktchen) auf dem "i" ist aber, dass Zürich in Zürich nicht Zürich sondern oft schlicht Züri heisst. Ob das Zürcher Hälse vor einem weiteren Räusper-ch schützen oder Auswärtige absichtlich vor den Kopf stossen soll, ist mir in der ganzen Verwirrung noch unklar.

Berlinisch oder Berlinerisch?
Aber nicht nur Zürich hat geographische Namensambivalenzen vorzuweisen: Berlin bietet immerhin ein adjektivtechnisches Rätsel. Ich bin mir noch jetzt nicht sicher, ob Berlinerisch tatsächlich richtig ist. Schliesslich wurde ich mal von einem zurzeit habilitierenden deutschen Sprachwissenschaftler korrigiert: korrekt sei Berlinisch. Die deutsche Version der „Internet-Bibel des Wissens“ – oder wie die stets vollkommen fehlerfreie deutsche BILD-Zeitung es nennen würde: Wiki-Fehlia – lässt die Frage offen. Es scheint, als wäre beides richtig.
Nur die englische Version weiss, dass es offenbar „correctly“ Berlinisch heissen müsste. Das würde ich glatt glauben. Abgesehen von der Berlinischen Galerie hat Berlinisch in Berlin meinen Weg allerdings nie gekreuzt. Berlinerisch war hingegen oft anzutreffen. Bestimmt alles Banausen.

Freitag, Januar 12, 2007

Zürich als Bundeshauptstadt?


Mit bestem Dank an den treuen Bildlieferant Stadtwanderer.

Wer hinter der ominösen Plakatkampagne Die Schweiz wählt eine neue Hauptstadt steckt, soll gemäss persoenlich.com erst in zwei Tagen bekannt gegeben werden. Die Allgemeine Plakatgesellschaft gibt sich bedeckt, man vermutet allerdings, dass es sich dabei um versteckte Forschung zu den psychologischen Auswirkungen von Plakatwerbung handeln könnte. Ich vermute, dass man nebenbei aus Lokalpatriotismus Kapital schlagen möchte. Von TV-Formaten wie MusicStar und DSDS weiss man, wie lukrativ SMS-Votings sein können, insbesondere, wenn Emotionen angestachelt werden. Und es ist ja nicht unbekannt, dass das eingebildete Grossstädtertum – in Zürich eher das Klein-Grossstädtertum – in den übrigen Teilen des Landes verhasst ist (in der restlichen Deutschschweiz nennen sie uns Züzis). Zudem hält sich Zürich nicht selten tatsächlich für die heimliche Schweizer Hauptstadt, was wohl so einige per SMS kundtun werden.

Dass hingegen Zürich dem gemächlichen Bern seinen bewährten Status als Bundeshauptstadt ernsthaft strittig machen wird, ist etwa so unwahrscheinlich wie dass eine neue Bundesrätin widerstandslos und ohne mediales Megagetöse, den Vaterschaftsurlaub in ihrem Departement von zwei auf unglaubliche fünf Tage erhöhen könnte. Noch eher würde Berlin neue Schweizer Hauptstadt – heimliche Hauptstadt ist die Metropole gemäss Michèle Roten ohnehin schon. Und eine gewisse Flexibilität im Hauptstadtstatus hat Berlin ja ebenfalls bewiesen.

Was dem allerdings im Weg stünde, sind die zunehmenden Anfeindungen gegenüber Deutschen in der Schweiz und die grosse Zahl der dadurch vergrämten deutschen Professoren und einer Handvoll deutscher Professorinnen, die in jene Bresche springen, die durch mangelnde Förderung des akademischen Nachwuchses an Schweizer Universitäten verursacht wird:



Bevor aber Berlin seine Hauptstadtsdienste anbieten kann, während die UNO-Weltstadt Genf, die offene Stadt im Dreiländereck und die Schweizer Wirtschaftsmetropole sich in ihren konkurrierenden Haaren liegen, hätte vielleicht das überaus freundliche Bern für einmal ein etwas harscheres Wörtchen mitzureden.

Sonntag, Januar 07, 2007

2007 mit Züri-Berliner Fassadenkunst

Darüber, ob man auch am 7. Januar noch ein frohes neues Jahr wünschen darf, schweigt sich Freiherr von Knigge offenbar aus. Züri-Berlin setzt sich grosszügig über scheinbar inexistente Konventionen hinweg und wünscht allen ein prächtiges 2007!
So liess es auch das Zürcher Wahrzeichen – das gar nicht so grosse Grossmünster – per Fassadenbeleuchtung ausrichten.
Bild: Flickr/Marco F


In Berlin tagte kurz vor Neujahr der legendäre Chaos Computer Club CCC und feierte unglaubliche 25 Jahre organisiertes heroisches Hackertum unter dem Motto: Kabelsalat ist gesund. Vor einigen Jahren hatte der CCC ebenfalls mit einer Fassade und Licht Spektakuläres gezaubert. Und zwar nicht mit einer geringeren als jener des Haus des Lehrers am Alexanderplatz. Die Aktion ging 2001 als Projekt Blinkenlights in die Berliner Stadtgeschichte ein und fand seither diverse Wiederbelebungsaktionen, Nachahmungen und spielerische Zusatzfeatures.
Bild: Wikipedia




Der Schweizer Bundesrat schreitet ungewohnt dynamisch ins neue Jahr. Sogar Moritz Leuenberger lacht mal wieder in die Kamera und die neue Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey lächelt ohnehin jegliche Konkurrenz an die Wand. Die Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz feminisiert zwar das offizielle Bundesrats-Bild für 2007 noch etwas. Nur regelrechte Politfreaks wissen allerdings, dass die Schweiz neben sieben Bundesräten überhaupt noch eine Bundeskanzlerin hat. Die deutsche Version ist da um einiges bekannter und bedeutsamer. Angela Merkel wird sich allerdings erst nächste Woche per Video-Podcast wieder ans deutsche Volk wenden. Aber auch da werden wohl ein paar gute Wünsche in Bits und Bytes verwandelt werden. Ob das nun der analoge Knigge erlaubt hätte oder nicht.

Technisches Nebengeräusch: Das Firefox Rechtschreibungs-Add-on kennt übrigens das Wort Bundeskanzler, während die Bundeskanzlerin beanstandet wird. Obwohl in den deutschsprachigen Ländern zurzeit bloss in Österreich ein Bundeskanzler regiert. Ein Update käme einem Upgrade gleich.