Donnerstag, Juni 28, 2007

Was ... in Zürich ist, ist in Berlin ...

Züri-Berlin steht für an den Haaren herbei gezogene Vergleiche zwischen zwei Städten. Da sich meine ohnehin bloss mittelmässig aktive Präsenz auf dieser Seite dem Ende zuneigt, werden im folgenden Beitrag noch einmal frisch-fröhlich züri-berlinische Analogien präsentiert:

1 – Kartengruss aus Züri-Berlin

Was frieman.ch in Zürich ist, ist kiezpost.de in Berlin: wunderbare Postkarten-Lieferanten.

Tobias Frieman sei ein Holländer in Zürich und auch manchmal in meinem Heimatquartier in Zürich-Wollishofen anzutreffen, berichten gut informierte Quellen. Seine Postkarten schmücken seit Jahren Wände, die mich zu Hause umgeben. Ich kenne keine bessere Zürcher Postkartenserie.

Hinter kiez:post steht eine gewisse Anja Kräutler, über die mir nichts weiter bekannt ist, als dass nicht nur ihre Fotos, sondern auch ihr Kundenservice hinreissend ist. Neben den schönen Bildern vom Alexanderplatz und Umgebung haben in der Serie berlin panoptikum auch ein paar Blicke auf den WM-Sommer Niederschlag gefunden.
Bildschirmfotos der verlinkten Websites.


2 – Züri-Berliner Kulturpaläste

Was in Zürich der Schiffbau ist, ist in Berlin das Radialsystem: Orte der etablierten Kultur mit Zielgruppe Cüpli-Linke / Toskana-Fraktion. Theater, Tanz, Musik und Literatur.
Das Moods im Schiffbau ist ein toller Konzert- und Tanzort. Im August findet im Radialsystem ein Anti- Angestellten- Event unter dem Motto 9to5. Wir nennen es Arbeit statt, für den neulich am Zürcher Powerpoint Karaoke der Berliner Zentralen Intelligenz Agentur wieder heftig geweibelt wurde.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Schiffbau (© Schauspielhaus Zürich) und Radialsystem (© Sebastian Bolesch).

3 – Bertastrasse ist Prenzlauerberg

Wie vor Monaten bereits berichtet, entspricht die Stimmung und die soziodemographische Zusammensetzung von Berlin-Kreuzberg ungefähr den Zürcher Stadtkreisen 4 & 5. Was mir seit vergangenem Herbst auffällt, ist die zunehmende Ähnlichkeit der Zürcher Idaplatz-Gegend mit dem Berliner Prenzlauerberg. Nicht zum ersten Mal versuche ich in Zürich den Übernamen «BB-Meile» für die Bertastrasse zu etablieren, nachdem dort seit letztem Sommer insgesamt drei Cafébars BB-Namen tragen. Wie im Prenzlauerberg, wohnt und tummelt sich rund um den Idaplatz/Bertastrasse dieses etablierte Kunst- und Kulturvolk, um nicht zu sagen die Alternativ-Schickeria, von der ich mich immer wieder erfolglos loszusagen versuche. Der Multikulti-Anteil ist massiv geringer als in Kreuzberg/Kreis 4 & 5, Kulturschaffende wie Adi Weyermann, Theatermenschen von anundpfirsich und Schreibende wie Simon Froehling geniessen an der BB-Meile ihren späten Sonntagmorgen. Die Männer sind in dieser Stadtgegend besonders gut aussehend und schieben Kinderwagen durchs Quartier (das in Berlin Kiez hiesse), die Frauen tragen rote Schuhe, hinreissende (und ebenso umwerfend teure) Xess+Baba-Strickjäckchen, besuchen jede Ausstellung und gehen in den Schiffbau.

4 – Urbanes Baden mit «Style»

Eine erstaunlich ähnliche Badekundschaft trifft sich in Zürich auf dem rechten Deck im Seebad Enge und beim Berliner Badeschiff: jung, schön und trendy. Und willig, zunehmend Abrisspreise zu bezahlen und von besonders «coolen» Mitarbeitenden im Gastrobereich nicht selten ganz und gar ohne Lächeln bedient zu werden.

Ich liege meist auf dem linken Deck in der Enge, da ist immer mehr Platz und der Blick auf den See und die Berge ohnehin besser. Es herrscht aber auch eine Geschlechterdiskriminierung, was den Zutritt des linken Decks betrifft.
(Fotos Sarah)

5 – Züri-Berliner Namenskriege

Dank der Benamsung der einigermassen neuen Limmatuferpromenade beim Wipkingerplatz lernte ich damals freudig eine bisher unbekannte Lektion in Zürcher Stadtgeschichte: Beim neuen «Kattunpark» hatten einst Baumwolldruckereien gestanden (Kattun > frz. coton). Doch die aufständische Wipkinger Bevölkerung fand den Namen gar absonderlich und gab dem Park in einer Strassenschild- Guerilla- Aktion den Namen «Wipkingerpark». Nach längeren Querelen bewilligte auch die Stadt Zürich hochoffiziell die Umbenennung.
Noch viel länger dauert hingegen der Streit um die Berliner Kochstraße, Sitz zweier deutscher Medienhäuser. Der Axel Springer-Konzern und die taz streiten seit Jahren um den Namen der Strasse. Die taz wollte in Gedenken an die führende Figur der deutschen Studentenbewegung die Kochstraße in Rudi Dutschke-Straße umbenennen, weil das Attentat auf Dutschke im Jahre 1968 auch der Hetz-Kampagne der Springerschen BILD-Zeitung zugeschrieben wird. Anfang dieses Jahres wurde eine Abstimmung durchgeführt, die vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg angenommen wurde. Zum Leidwesen des Springer-Konzerns. Manche Fronten - wie Springer und die eher widerständisch Gesinnten - sind auch nach 40 Jahren die gleichen. Da glaube noch jemand an den Fortschritt.
Foto Wipkinger-/Kattunpark (© Quartierverein Wipkingen) und Bildschirmfoto Netzzeitung

Dienstag, Juni 19, 2007

Widerstand, Klage & Fotos

sos. So lautet bezeichnenderweise das Kürzel jener Person, die vor ein paar Tagen in der Zürcher NZZ die Schreckensnachricht überbrachte, dass an der Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg eine McDonalds-Filiale eröffnet werden soll. Bekannt ist das Vorhaben schon lange, der Widerstand wurde bei der definitiven Ankündigung in den letzten Wochen verstärkt und folglich schlagzeilte die Presse heftig: Buletten-Alarm in Kreuzberg, Berlin Kreuzberg - Kulturkampf um McDonald’s, Big Mecker, Karneval gegen “McDoof”, Frittenalarm im Falafelkiez.



Es ist ein schöner NZZ-Bericht über den Clash der US-Fastfoodkultur mit der Kreuzberger Alternativkultur, der sich ein paar Dutzend Meter von meiner letztjährigen Berliner Bleibe entfernt abspielt:



Verklagt - in Zürich und Berlin

Einem der am professionellsten geführten Schweizer Blogs - dem Krusenstern - wurde vor kurzem angedroht, sowohl in Zürich als auch Berlin verklagt zu werden. Weil Krusenstern-Autor Jürg Vollmer es gewagt hatte, den deutschen Ex-Kanzler Schröder als Gazprom-Söldner zu bezeichnen:



Inzwischen ist es soweit: Heribert Schindler hat seine Drohung wahr gemacht. Schön ausführlich dokumentiert der Krusenstern die Chronologie der Strafanzeige wegen Verleumdung.

Züri-Berlin
stellt sich neben den Krusenstern und empfiehlt Heribert Schindler den aktuellen Film über die Dixie Chicks mit dem hübschen Zitat: «Freedom of speech is fine. As long you don't do it in public.»




Berliner Fotogalerie bald in Zürich

An der Zürcher Marktgasse, die von der einstigen Gourmetgasse (köstlicher Käse-Laden, die bestduftende Bäckerei und der übel riechende Luxus-Fischladen Bianchi) zur aktuellen Adidas-Lifestyle-Shop- & Schleckwaren-Gasse verkommen ist, soll Ende 2007 Kultur einziehen. Die wunderhübsche Berliner Fotogalerie LUMAS expandiert nach Zürich und wird in der ehemaligen Bäckerei mit sehr erschwinglicher und populärer Fotokunst die Zürcher Fotogalerien konkurrieren. Wahrscheinlich müssen wir uns auf eine Schlammschlacht mit Dumpingpreis-Vorwürfen gefasst machen, da LUMAS mit der Massenproduktion von Fotoabzügen ihr Geschäft macht, was zur Folge haben wird, dass Wohnungen in Zürich und Berlin bald so einheitlich geschmückt sind wie urbane Menschen mit H&M-Kleidern.

Montag, Juni 04, 2007

Kurzfutter aus Züri-Berlin

Berliner Staatsbesuch am CSD
Am Samstag besuchte "Herr Regierender Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit" - kurz: Wowi - unser Städtchen mal wieder. Da tanzte und klamaukte nämlich der Christopher Street Day (CSD) durch die Zürcher Innenstadt. Als Wowi das letzte Mal einen Zürcher Umzug besuchte, hatte sich Regierungsrätin Verena Diener bei ihm entschuldigt, dass leider keine Frauen am traditionellen Sechseläuten-Umzug teilnehmen dürfen. Die Berliner Presse berichtete letzten Frühling amüsiert von Wowis souveräner Antwort: "Bekanntlich macht mir das nicht so viel aus." So dürfte es auch Frau Diener nicht mehr erstaunt haben, dass Wowi vorgestern der lesBischwulen Zürcher Bevölkerung ein paar Grussworte entgegenwarf.

Der Zürcher Ballmeister geht nach Berlin
Im letzten Beitrag hatte ich mal wieder krampfhaft eine Züri-Berlin-Verbindung konstruiert, weil ich über den Meistertitel des FC Zürich und Gemeinschaftsgefühle in einer individualisierten Gesellschaft schreiben wollte. Da blicke ich nun selber erstaunt aus der Fussballwäsche, dass der FC Zürich-Trainer Lucien Favre tatsächlich in Windeseile ein weiterer Architekt der Achse Züri-Berlin geworden ist und nun Hertha BSC auf denselben Siegespfad bringen soll. Züri-Berlin gratuliert.

Ebenso Berlin-verliebte Zürcher Bloggerin
Dank eines fruchtbaren Irrtums des geschätzten Blogdenuziaten bin ich auf eine weitere bloggende Züri-Berlinerin gestossen. Ihr Blog ist ein optisch und inhaltlich hinreissendes Produkt mit einer wunderhübschen digitalen Tapete. Zudem teilt Katja B. mit mir das Faible für den 1920er-Mythos und die Existenz als Lizenziandin. Und sie hat sich im gleichen Sommer wie ich an den gleichen (fetten) Ecken, auf denselben Badeschiffen und Berliner Brücken herumgetrieben (fotografisches Beweismaterial). Wenn ich genauer hinschaue, erkenne ich das Gesicht aus dem Deutschen Seminar der Uni Zürich. So little ist big Zurich city.

Tramgespräch
Andere erkennen dagegen mein Gesicht besser. Vor ein paar Tagen wurde ich im Tram von einer hübschen Rothaarigen angesprochen, die ich schon mal irgendwo - natürlich dachte ich fälschlicherweise: irgendwo in dieser kleinen Grossstadt - gesehen hatte. Wir hätten doch dasselbe Seminar an der Freien Uni Berlin besucht, und ich hätte doch dieses Blog... Als sie es sagte, dämmerte es auch mir, obwohl doch sonst jeweils ich beleidigt spiele, wenn man mich nicht sofort wiedererkennt. Sie ist Berlinerin und macht gerade ein Erasmus-Semester in Zürich, wie sie mir im quietschenden 13-er-Tram erzählte. Sie hüpfte am Limmatplatz bereits wieder aus dem zürich-farbenen Gefährt, noch bevor ich die erstaunliche Wiederbegegnung überwunden hatte.

[tsy:riç] goes Riesenmaschine
Mein phonetisches Zürich-T-Shirt ist wie ein neu bedrucktes T-Shirt aus der phöniketischen Asche im textilen Nirvana auferstanden, um für kurze Zeit ein Rädchen der Riesenmaschine zu sein. Aber auch dort ist es schon wieder weg. Natürlich lügt man bei der Riesenmaschine nicht nur schöner (das T-Shirt hatte nämlich nicht nur 1000, sondern gar 2000 Franken gekostet), sondern man fotografiert auch besser. Mit diesem transferierten Bild wird Züri-Berlin als digitale Grabstätte für mein einstiges Lieblings-T-Shirt schon fast zum Mausoleum.
(Ich habe es mir schmerzlich verkniffen, diesen Abschnitt mit "Pimp my T-Shirt" zu übertiteln. Ich hoffe, Sie danken es mir, wie ich es inzwischen allen danke, die es fertig bringen, den besonders originellen Dauerwitz vor dem Aussprechen auf ihrer Zunge zergehen zu lassen.)

Die verwendeten Fotos sind Creative Commons-lizenziert:
T-Shirt von Riesenmaschine, Regenbogen-Flagge von mhaithaca, Tram von iwouldstay. Ausser das Bildschirmfoto von Katja B.'s Blog.