Das Mysterium ß
Doch bei aller Liebe zum Altbewährten: Ich halte die Schweiz für geradezu ungewöhnlich fortschrittlich, dass sie sich schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu entschieden hat, eine unnötige Komplikation aus dem Weg zu räumen. Die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich beschloss nämlich bereits 1938, das ß nicht mehr zu lehren. Die NZZ schrieb immerhin noch bis 1974 mit ß – war allerdings die letzte Schweizer Tageszeitung, die sich davon verabschiedete.
Sich als Schweizerin mit den Geheimnissen des ß (in der Schweiz Doppel-s genannt, in Deutschland Eszett) vertraut zu machen, ist keine leichte Angelegenheit, besonders in den Wirren der Rechtschreibereform. Zu lernen wäre die neue Regelung zwar einfacher, da sich diese aber nicht wirklich durchgesetzt hat, sind der Kuß und daß noch immer allgegenwärtig, obwohl sie jetzt eigentlich auch hier Kuss und dass sein müssten. Die Küsse sind nicht reformiert worden, das waren sie schon früher. Das ist alles ein bisschen – früher bißchen – verwirrlich.
Aus ästhetischer Sicht haben Schweizer Augen im Vorfeld der „Germany 2006“ einen schweren Stand. Es könnte nämlich der Eindruck entstehen, es handle sich beim allgegenwärtigen anstehenden Großereignis um die FUBBALL-WM. „FUßBALL“ wirkt neben dem optisch ausbalancierten „FUSSBALL“ schon etwas ungelenk.