Müll & unvirtueller Spam
In Zürich funktioniert die Entsorgung grundsätzlich anders. Sie nennt sich erstens Abfall- und nicht Müllentsorgung, und zweitens ist sie auch nicht - wie in Berlin - in den Nebenkosten der Miete inbegriffen. Gebührenpflichtige Züri-Säcke kauft man in der Limmatstadt im Supermarkt und stellt diese gemäss einem Entsorgungskalender, der nach einem Quartier-Rotationssystem funktioniert (Quartier=Kiez), an die Strasse, oder wirft sie - wenn vorhanden - in einen Container. Glasflaschen (nach braunen, grünen und weissen getrennt), PET-Flaschen und Aluminium müssen in dunkelblaue Sammelcontainer gebracht werden, die sich nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe des Hauses befinden. Die Entsorgung im Innenhof fand ich ungleich praktischer. Das Klingeln an der Haustüre war allerdings oft störend.
In Zürich ist es eher ungewöhnlich, dass jemand zu Hause klingelt, und wenn das doch vorkommen sollte, ist es fast immer angemeldeter Besuch, auf den man sich freut. Erst gestern klingelte es gegen Mittag. Eine sympathische Frau begann sogleich, mir irgendetwas von Jubiläum von irgendeiner Firma und Würze zu erzählen. Ich fragte unverhohlen, ob sie mir etwas aufschwatzen wolle. Nein, natürlich wolle sie niemandem etwas aufschwatzen. Ich brachte es nicht über das Herz, einfach wieder die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Sie drückte mir einen Stapel "Informations"blätter in die Hand und ein Müsterli mit "Vegetabiler Streuwürze". "Können Sie auch im Internet bestellen, oder ich komme einfach wieder vorbei. Sie haben doch Internet, oder?" - "Äh, jaja, danke und schönen Tag noch." Als ich die Tür wieder hinter mir ins Schloss fallen liess, dachte ich mir, dass das persönliche Vorbeikommen an der Haustür ja schon fast etwas Anachronistisches hat. Jedenfalls im Zeitalter von Spam-Mails, "relevanten Textanzeigen" (Google-AdWords und -AdSense) und personalized advertisement. Jemanden an der Haustüre abzuwimmeln, ist zur Abwechslung ganz nett, wenn man sich sonst schon täglich damit herumschlägt, Spam-Mails den virtuellen Garaus zu machen. In Berlin im digitalen Mülleimer, in Zürich im virtuellen Abfallkorb.
Foto Züri-Sack von hier